Das Bandoneon

Das Bandoneon ist ein tragbares Aerophon aus der Familie der Durchschlagzungeninstrumente, dessen Klang durch Luft entsteht, die beim Ziehen oder Drücken des Balgs über frei schwingende Metallzungen geführt wird. Es besitzt auf beiden Seiten Knopftastaturen und unterscheidet sich vom Akkordeon durch seine viereckige Bauform, das Fehlen einer Klaviatur und weniger standardisierte Griffsysteme. Häufig ist das Instrument wechseltönig (bisonorisch), das heißt: Ein Knopf erzeugt je nach Balgrichtung unterschiedliche Töne; daneben existieren einheitstonige (unisonorische) Varianten, etwa das Einheitsbandoneon. Weit verbreitet ist im Tango die sogenannte Rheinische Lage als Griffsystem. Entwickelt wurde das Bandoneon im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum (Namensbezug auf den Händler Heinrich Band); über Auswanderer gelangte es nach Argentinien und Uruguay und wurde dort zur charakteristischen Leitstimme des Tango. Der Klang reicht von weich und melancholisch bis schneidend und expressiv; die direkte Balgführung erlaubt große dynamische und artikulatorische Nuancen, einschließlich feiner Phrasierung und Balgvibrato. Gespielt wird meist sitzend, das Instrument auf den Knien ruhend. Heute wird das Bandoneon vor allem im Tango, daneben in Volks- und zeitgenössischer Musik sowie in kammermusikalischen Kontexten eingesetzt.

Welche Bauformen des Bandoneon gibt es?

Es gibt beim Bandoneon mehrere Bauformen – sie unterscheiden sich vor allem darin, ob ein Knopf je nach Balgrichtung denselben oder verschiedene Töne erzeugt, in den Griffsystemen (Tastenanordnung) und in Größe/Ausstattung:

Tonprinzip

  • Wechseltönig (bisonorisch): Ein Knopf liefert beim Ziehen einen anderen Ton als beim Drücken. Das ist die klassische Tango-Bauart.
  • Einheitstonig (unisonorisch): Ein Knopf hat in beiden Balgrichtungen denselben Ton; beliebt in „chromatischen“ Systemen für konzertantes Spiel.

Griffsysteme (rechte/linke Knopfanordnung)

  • Rheinische Lage (Tango-System): Wechseltönig; international das verbreitetste Tangosystem.
  • Einheitsbandonion: Wechseltöniges, in Deutschland standardisiertes Layout (Vereinheitlichung älterer, regionaler Anordnungen).
  • Péguri-System: Französische, wechseltönige Variante mit eigener Logik der Tonverteilung.
  • Kusserow-/Chromatisches Bandoneon: Einheitstonig; vollständig chromatisch mit identischer Belegung in Zug/Druck, für polyphones/kammermusikalisches Repertoire.

Größen & Tonumfang

  • Unterschiedliche Knopf- und Tonzahlen (z. B. kompaktere Modelle bis hin zu großen Instrumenten mit erweitertem Tonumfang); Wahl je nach Stil, Repertoire und Handgröße.

Ausstattung & Klangbau

  • Chörigkeit/Register: Ein- bis mehrchörig; Registerschalter (teils als Kinnregister) für Oktav-, Unisono- oder Mischklänge.
  • Stimmung/Charakter: Von „trocken“ und präzise bis leicht schwebend; Tango-Instrumente oft kernig, direkt und durchsetzungsfähig.
  • Bauweise/Materialien: Unterschiede in Korpus, Balg, Zungenplatten (z. B. Zink/Alu) prägen Ansprache und Farbe.

Kurzfassung:
Die wichtigsten Linien sind wechseltönig (Rheinische Lage, Einheitsbandonion, Péguri) und einheitstonig (Kusserow/chromatisch) – ergänzt durch verschiedene Größen, Register- und Klangkonfigurationen je nach Einsatz zwischen Tango, Volks- und Konzertmusik.

Wie klingt ein Bandoneon?

Ein Bandoneon klingt direkt, fokussiert und leicht nasal, mit einer melancholischen Wärme – tragfähig, aber ohne die chorige Breite vieler Akkordeons.

  • Grundfarbe: „Trocken“ und kernig; Mittellage rund, Höhen durchdringend, Tiefe mit leicht rauem „Knurren“.
  • Dynamik & Balg: Sehr große Spannweite von ppp bis ff; der Balg formt Atmung, Crescendi/Decrescendi und ein feines Balgvibrato.
  • Wechseltönigkeit (Push/Pull): Unterschiedliche Töne je Balgrichtung erzeugen einen federnden Puls und die typischen „Seufzer“ des Tango.
  • Artikulation: Vom gesungenen Legato bis zum markanten Marcato/Staccato; Akkorde wirken prägnant und perkussiv.
  • Register & Mischung: Meist wenige, eher „trockene“ Register (z. B. 8′, 16′+8′); keine Musette-Schwebung – dadurch klare Konturen.
  • Polyphonie: Beide Seiten spielen Einzeltöne – ideal für zweistimmige Linien, Kontrapunkt und dichte, expressiv geatmete Phrasen.

Ergebnis: ein intensiver, „sprechender“ Zungenklang, der besonders im Tango zwischen zartem Flüstern und schneidender Expressivität lebt.

Sound – Videos & Hörbeispiele zu Keyboard

Wie ist die Spieltechnik für ein Bandoneon?

Bandoneon gehört zur Familie der Handzuginstrumente (wie Akkordeon und Konzertina), ist aber deutlich eigenständiger in seiner Spielweise. Die Spieltechnik ist eine Mischung aus Tasteninstrument- und Blastechnik, erfordert aber sehr viel Feinmotorik und Koordination. Hier die wichtigsten Punkte:

Haltung

  • Sitzhaltung: Man sitzt meist aufrecht auf einem Stuhl, das Instrument auf den Knien oder leicht nach vorne gekippt.
  • Armgurte: Sie fixieren die Hände, sodass die Finger die Tasten frei erreichen.
  • Balgbedienung: Der Balg wird aktiv geöffnet und geschlossen – das ist zentral für Dynamik, Artikulation und Klangfarbe.

Tastenbelegung

Das Bandoneon hat diskontinuierliche Tastenanordnung:

  • Links und rechts jeweils viele Knöpfe.
  • Die Anordnung ist nicht linear (anders als beim Akkordeon).
  • Oft sind verschiedene Töne beim Ziehen und Drücken derselben Taste – ähnlich wie bei einer Mundharmonika (bisonorik).
  • Je nach System (z. B. Rheinisches oder Einheitsbandoneon) sind die Tonlagen unterschiedlich angeordnet, was die Orientierung schwierig macht.

Spieltechnik

Balgführung:

  • Zentrale Technik, vergleichbar mit dem Bogen beim Streichinstrument.
  • Steuerung von Lautstärke, Ausdruck und Phrasierung.
  • Ständiges „Atmen“ durch Öffnen und Schließen.

Fingertechnik:

  • Häufige Spreizungen, da die Knöpfe unregelmäßig liegen.
  • Man braucht eine „innere Landkarte“, um die Griffe zu beherrschen.
  • Virtuose Läufe erfordern exakte Bewegungen, da keine sichtbare Tastatur wie beim Klavier vorhanden ist.

Unabhängigkeit:

  • Beide Hände spielen oft gleichberechtigt (Melodie, Gegenstimme, Akkorde).
  • Links und rechts sind nicht einfach Begleitung und Melodie, sondern gleichwertige Stimmen.

Musikalische Besonderheiten

  • Dynamik: Extrem große Bandbreite durch Balgführung – vom hauchzarten Pianissimo bis zu sehr kräftigen Akzenten.
  • Klangfarbe: Sehr expressiv, oft melancholisch, ideal für Tango, aber auch für zeitgenössische Musik und Kammermusik.
  • Artikulation: Vom kurzen Staccato bis zu langen, gesungenen Linien möglich

Das Bandoneon ist technisch anspruchsvoller als das Akkordeon, weil die Tastenanordnung unlogisch wirkt und die Balgführung noch stärker in den Vordergrund rückt. Professionelle Spieler sprechen oft davon, dass man das Instrument „blind“ beherrschen muss, da man die Knöpfe nicht sehen kann.

Wer kann Bandoneon erlernen?

Kurz gesagt: Fast jede*r kann Bandoneon lernen – Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Späteinsteiger. Wichtig sind ein passendes Instrument, Geduld und regelmäßiges Üben.

  • Alter & Einstieg: Sinnvoll ab ca. 8–10 Jahren (Handgröße/Feinmotorik). Erwachsene können jederzeit beginnen – oft mit schnellen Fortschritten dank strukturierter Übegewohnheiten.
  • Körperliche Voraussetzungen: Normale Handspanne reicht. Ein leichtes, gut gewartetes Instrument und eine stabile Sitzposition (Instrument auf den Knien) sind wichtiger als Kraft.
  • Musikalische Vorkenntnisse: Nicht nötig, aber hilfreich. Klavier-/Akkordeon- oder Notenkenntnisse erleichtern den Start. Auch ohne Vorerfahrung klappt es mit gutem Unterricht.
  • Instrumentenwahl:
    – Wechseltönig (Rheinische Lage/Péguri) = traditioneller Tango-Sound, jedoch anspruchsvollere Push/Pull-Logik.
    – Einheitstonig (z. B. Kusserow) = gleicher Ton bei Ziehen/Drücken, übersichtlicher für Skalen/Polyphonie.
  • Typische Anfangshürden: Orientierung auf zwei Knopffeldern, Balgkontrolle und (bei wechseltönigen Systemen) Balgrichtungswechsel. Das ist Trainingssache und lässt sich schrittweise aufbauen.
  • Unterricht & Material: Lehrkräfte sind seltener als beim Akkordeon – Online-Unterricht, Workshops und methodische Schulen helfen, Lücken zu schließen.
  • Gesundheit/Ergonomie: Pausen, entspannte Schultern, korrekte Hand-/Armhaltung. Bei Beschwerden Instrument prüfen lassen (Balg dicht? Knöpfe leichtgängig?).

Fazit: Wenn du ein passendes System wählst, regelmäßig übst und dir Feedback holst, steht dem Bandoneonlernen in jedem Alter nichts im Weg.

Ist es schwer Akkordeon zu lernen?

Kurzantwort: Ja, Bandoneon ist anspruchsvoll – aber gut lernbar, wenn du strukturiert vorgehst. Es gilt als schwieriger als Akkordeon, vor allem wegen der Tastenlogik.

Was es anspruchsvoll macht

  • Wechseltönigkeit (bei Tango-Systemen): Ein Knopf hat beim Ziehen/Drücken verschiedene Töne → zusätzliche Denk- und Bewegungsarbeit.
  • Uneinheitliche Griffsysteme: Rheinische Lage, Péguri, Einheitsbandoneon, Kusserow (einheitstonig) – die Anordnung ist nicht „klavierlogisch“ und variiert je System.
  • Zwei getrennte Knopffelder: Orientierung ohne visuelle Klaviertasten; viel Muskelgedächtnis nötig.
  • Balgführung als „Atem“: Dynamik, Phrasierung, saubere Balgwechsel – technisch und musikalisch entscheidend.
  • Wenig Lehrkräfte/Material: Verglichen mit Klavier/Akkordeon begrenzteres Angebot → Selbstorganisation ist wichtiger.

Was es leichter macht

  • Systemwahl passend zu deinem Ziel:
    – Rheinische Lage für klassischen Tango (authentischer Sound).
    – Kusserow (einheitstonig), wenn du klare Chromatik/Polyphonie bevorzugst.
  • Methodisch üben: Hände getrennt, winzige Phrasen, langsames Tempo, früh mit Balgplan (wo wechseln/atmen?).
  • Kartierung & Patterns: Griffbilder (Tonleitern, Arpeggien) systematisch aufschreiben/merken; täglich 5–10 Min. Orientierungstraining.
  • Ergonomie: Sitzend auf den Knien, entspannte Schultern, leichtgängige Mechanik; regelmäßig kurze Pausen.
  • Mentoring/Community: Lehrkraft, Workshops, Online-Videos, Noten/Tabellen für dein genaues System.

Realistische Einschätzung

  • Erste Lieder: nach einigen Wochen möglich.
  • Flüssiges Spiel mit typischem Tango-Phrasing: eher Monate konsequenten Übens.
  • Fortgeschritten (zweistimmig, schnelle Läufe, komplexe Phrasen): längerfristiges Training – wie bei jedem anspruchsvollen Instrument.

Fazit: Bandoneon fordert Orientierung + Balggefühl + Systemkenntnis. Mit der passenden Systemwahl, kleinschrittigem Üben und gutem Feedback ist der Einstieg absolut machbar – und der Klang belohnt die Mühe.

Ab welchem Alter kann man Bandoneon lernen?

Es gibt keine feste Altersgrenze – entscheidend sind Handgröße, Konzentration und Motivation.

  • Typischer Einstieg: ab 8–10 Jahren, wenn die Hände genügend Reichweite haben und 10–15 Minuten fokussiertes Üben am Stück klappen.
  • Früher Start: ab 6–7 Jahren möglich, nur mit sehr leichtem Instrument, kurzen Übeeinheiten und spielerischem Ansatz.
  • Jugendliche & Erwachsene: Einstieg jederzeit – Erwachsene profitieren oft von strukturiertem Üben und klaren Zielen.
  • Woran du erkennst, dass der Zeitpunkt passt:
    Das Instrument liegt stabil auf den Knien, die Knöpfe sind gut erreichbar, der Balg lässt sich kontrolliert bewegen, und du hältst kurze Übephasen ohne Frust durch.
  • Praktische Tipps zum Start:
    Leichtes, gut gewartetes Bandoneon wählen; zuerst Haltung/Balgführung üben; mit einer Lehrkraft oder Online-Kurs für dein System (z. B. Rheinische Lage oder Kusserow) starten; kurze Einheiten (10–20 Min.) regelmäßig wiederholen.

Fazit: Üblich ist der Start ab 8–10, früher geht mit kindgerechtem Setup – und zu spät ist es nie. Wichtig sind passendes Instrument, regelmäßiges Üben und systembezogener Unterricht.

Wie viel kostet ein Bandoneon?

Hier die realistischen Preisrahmen fürs Bandoneon (Stand: grobe Marktwerte, ohne konkrete Marke):

Einsteiger/„Budget“-Instrumente (neu, oft Asien-Fertigung)

  • ca. 800–1.800 € – spielbar zum Reinschnuppern, aber begrenzte Mechanik/Ansprache; für Tango langfristig meist unbefriedigend.

Gebraucht (Einsteiger bis solide Mittelklasse)

  • ca. 1.500–3.500 € – ältere deutsche Modelle oder überholte Importinstrumente; Zustand/Reparaturhistorie kritisch prüfen.

Gute Mittelklasse (neu oder vollständig restauriert)

  • ca. 3.500–7.000 € – verlässliche Mechanik, brauchbare Ansprache, für Unterricht/Bühne tauglich; je nach System (Rheinische Lage/Kusserow).

Oberklasse/Meisterbau (neu)

  • ca. 7.000–12.000 €+ – handgefertigte Instrumente mit exakter Intonation, feiner Dynamik, hochwertigen Zungen/Bälgen.

Historische Spitzeninstrumente (z. B. Alfred Arnold „AA“) – restauriert

  • typ. 8.000–20.000 €+ – stark abhängig von Originalität, Zustand und Qualität der Restaurierung.

Nebenkosten & Service

  • Generalüberholung (Ventile, Wachs, Zungen richten, Mechanik): 800–2.500 € (je nach Umfang).
  • Teilservice/Stimmen: 150–500 €.
  • Neuer Balg: 400–800 €.
  • Koffer/Riemen: 80–300 €.

Miete/Leihe

  • Selten, aber möglich: grob 30–80 €/Monat (häufig Wartelisten, v. a. bei Tango-Systemen).

Fazit: Unter 1.500 € ist es meist nur zum Ausprobieren sinnvoll. Unbedingt mehrere Instrumente testen und vor Gebrauchtkauf eine Werkstattprüfung einplanen.

Welches Bandoneon soll ich kaufen?

Das „richtige“ Bandoneon hängt vor allem von deinem Einsatz (Tango vs. Konzert/Polyphonie), dem Griffsystem, deinem Budget und der Verfügbarkeit ab.

Hier ist eine klare Entscheidungshilfe:

Wofür willst du spielen?

  • Tango (traditionell/modern): Nimm ein wechseltöniges Instrument (bisonorisch), am häufigsten Rheinische Lage. → Authentischer Sound & typische „Push/Pull“-Phrasen.
  • Klassik/Neue Musik/Polyphonie & klare Chromatik: Nimm ein einheitstoniges (unisonorisches) System, z. B. Kusserow (chromatisch logisch, gleicher Ton bei Zug/ Druck).

Systemwahl – was bedeutet das konkret?

  1. Wechseltönig (Rheinische Lage / Péguri):
  • Pro: Tango-idiomatisch, großer Repertoirezugang, viele Lehrmaterialien.
  • Contra: Orientierung anspruchsvoller (anderer Ton bei Zug/ Druck).
  1. Einheitstonig (Kusserow/„chromatisch“):
  • Pro: Skalen/Voicings logisch, Polyphonie leichter planbar.
  • Contra: Weniger verbreitet im Tango, geringere Gebraucht-Auswahl.

Neu, gebraucht, restauriert?

  • Gebraucht (überholt): Oft bestes Preis-Leistungs-Verhältnis. Achte auf seriöse Generalüberholung (Zungen/ Ventile/ Balg/ Mechanik).
  • Neu (Meisterbau): Höchste Präzision, planbarer Zustand – aber teuer & Wartezeiten.
  • „Budget“-Neuware: Spielbar zum Einstieg, klanglich/ mechanisch oft limitiert – gut zum Ausprobieren, selten langfristige Lösung.

Größe, Ausstattung, Klang

  • Knopfzahl/Tonumfang: Achte auf ausreichenden Tonvorrat für dein Repertoire (gängig sind große, vollchromatische Layouts).
  • Chöre/ Register: 1–2 Chöre (z. B. 8′, 16′+8′) – Bandoneons klingen eher „trocken“/fokussiert (keine Musette-Schwebung).
  • Zungenplatten & Ansprache: Saubere Intonation, schnelle Ansprache, dichter Balg sind wichtiger als Deko.
  • Gewicht/Ergonomie: Sitzen auf den Knien, Riemen angenehm, Knöpfe leichtgängig – möglichst lang anspielen!

Konkrete Kurzempfehlungen nach Profil

  • „Ich will Tango lernen/ spielen“ (Allround):
    → Wechseltönig, Rheinische Lage, gut restauriertes Instrument der Mittelklasse.
    Budget grob: 3.500–7.000 € (gebraucht, überholt).
  • „Ich will Konzert/Polyphonie/Neue Musik“:
    → Einheitstonig (Kusserow), präzise Mechanik, gleichmäßige Dynamik.
    Budget grob: 5.000–10.000 € (neu oder Top-Restaurierung).
  • „Erstmal reinschnuppern, knappes Budget“:
    → Günstiges gebrauchtes wechseltöniges Instrument mit Werkstattcheck – oder Leihinstrument.
    Budget grob: 1.500–3.500 € (Zustand > Marke).
  • „Maximaler Tango-Anspruch/ Bühne/ Studio“:
    → Wechseltönig, Rheinische Lage, Oberklasse (neu oder AA-Restaurierung) mit exakter Intonation.
    Budget grob: 7.000–12.000 €+.

10-Punkte-Check beim Anspielen

  • Balgdicht: ohne Taste fast kein Luftverlust.
  • Ansprache: leise und laut – jeder Ton spricht sofort an.
  • Intonation: durch Registerwechsel stabil.
  • Mechanik: Knöpfe leise, gleichmäßig, kein Hängen.
  • Gleichgewicht: sitzt stabil auf den Knien, Riemen bequem.
  • Lautstärke-Reserve: genügend ff ohne „Abbrechen“.
  • Pianissimo: kontrollierbar, nicht „fauchig“.
  • Balgwechsel: geräuscharm, planbar.
  • Register: Klangfarben passen zu deinem Stil.
  • Dokumentation: Probespielprotokoll + ggf. Werkstattgutachten einholen.

Wenn du unsicher bist, starte mit wechseltöniger Rheinischer Lage (größter Lern-/Community-Zugang), leihe/ miete 1–3 Monate, probiere mehrere Instrumente, nimm eine Schnupperstunde bei einer Lehrkraft für genau dein System – dann kaufen.

Welches Zubehör braucht man für das Bandoneon?

Hier ist die kompakte Zubehör-Checkliste fürs Bandoneon – praxisnah, ohne Schnickschnack:

Essentials

  • Riemen/Handschlaufen (passend und weich gepolstert)
  • Koffer/Hardcase (formstabil) oder gepolsterte Tasche für kurze Wege
  • Mikrofasertuch + Staubschutzdecke im Koffer

Ergonomie & Sitz

  • Sitzkissen / rutschfeste Auflage (Instrument stabil auf den Knien)
  • Optional Oberschenkel-/Knieband gegen Verrutschen
  • Pflege & Klima
  • Hygrometer im Koffer, Silicagel-Trockenbeutel
  • Ersatzventile/Balgriemen (kleines Notfall-Set), Schraubendreher in passender Größe
    (Stimmen/Innenarbeiten aber in die Fachwerkstatt!)

Üben & Lernen

  • Metronom/Drum-App, Stimmreferenz (A-Stimmgabel/App)
  • Notenständer + Notenlicht (Clip-Lampe)
  • Aufnahmegerät/Smartphone für Selbstkontrolle
  • Bühne & Recording
  • Clip-Mikro(s) oder kleines Stereo-Mikro-Set, Kabel/DI-Box
  • In-Ear/Kopfhörer fürs Monitoring

Transport & Sicherheit

  • Gepäckanhänger/Adresse, Kofferschloss, Regenhülle (für Softbag)

Mit diesen Basics bist du für Üben, Probe und Bühne solide ausgerüstet – ergonomisch, klanglich und organisatorisch.

Wo gibt es Kurse für Bandoneon?

  • Private Lehrkräfte (Tango/klassisch): Größte Chance – 1:1-Unterricht vor Ort oder online (Zoom). Viele Lehrende sind aktive Tango-Musiker.
  • Tango-Schulen & Milongas: Häufig Einsteigerkurse oder Workshops; frag gezielt nach Bandoneon-Unterricht (nicht nur Tanz).
  • Musikhochschulen/Konservatorien: Selten als Hauptfach, aber Meisterklassen/Workshops (z. B. mit Gastdozenten).
  • Sommerakademien & Festivals: Intensivkurse in Europa und Südamerika (Tango-Camps, Bandoneon-Tage).
  • Vereine/Ensembles: Akkordeon-/Bandoneon-Vereine, Kulturhäuser – gelegentlich Kurse oder Ensembleprojekte.
  • Online-Unterricht & Communities: Einzelstunden per Video, Kursplattformen, Noten/Grifftabellen für Rheinische Lage, Péguri oder Kusserow. Hier z.B. bei bemusico unter https://www.bemusico.com/programm/

Tipp: Wegen der geringeren Dichte an Lehrkräften lohnt ein Online-Start plus gelegentliche Präsenz-Workshops. Wenn du magst, nenne mir deinen Ort (z. B. Freiburg) und dein System – ich stelle dir konkrete Anlaufstellen zusammen.

Wie verlief die Geschichte des Bandoneon?

Das Bandoneon entstand im 19. Jahrhundert aus der deutschen Konzertina-Tradition. Als Vorläufer gilt die in Chemnitz entwickelte Konzertina (1830er Jahre); um die Mitte des Jahrhunderts verbreitete der Krefelder Händler Heinrich Band eine viereckige, knopfbestückte Balgversion, die bald seinen Namen trug. Gedacht war sie zunächst für Haus- und Kirchenmusik: ein tragbares, lautstarkes Zungeninstrument mit großer dynamischer Spannweite. Parallel differenzierten sich Griffsysteme und Tonprinzipien: wechseltönige Layouts (ein Knopf = zwei Töne je nach Balgrichtung) setzten sich im Alltagsgebrauch durch, während einheitstonige, chromatische Systeme (z. B. Kusserow, frühes 20. Jh.) vor allem für konzertantes Repertoire entwickelt wurden.

Mit der europäischen Auswanderung gelangte das Instrument nach Argentinien und Uruguay, wo es ab Ende des 19. Jahrhunderts zum klanglichen Herz des entstehenden Tango wurde. In den 1920er–40er Jahren prägte es als Leitstimme die großen Orchester der „Época de Oro“. Maßgeblichen Anteil an Qualität und Verbreitung hatten sächsisch-thüringische Werkstätten (u. a. Alfred Arnold in Carlsfeld); deren Instrumente werden bis heute wegen Ansprache und Klang geschätzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachen Produktion und Export in Mitteleuropa ein; in Südamerika hielt sich die Praxis, während in Europa das Bandoneon eher Nischen blieb. Seit dem späten 20. Jahrhundert erlebte es eine Renaissance: Restaurierungen historischer Instrumente, neue Manufakturen, methodische Schulen und Hochschulkurse ließen eine aktive Szene entstehen. Künstler wie Aníbal Troilo und Astor Piazzolla formten ein eigenständiges Repertoire vom traditionellen Tango bis zur „Tango Nuevo“-Ästhetik; heute wird das Bandoneon neben dem Tango auch in Volksmusik, kammermusikalischen und zeitgenössischen Kontexten gespielt. Kurz: Vom regionalen Balginstrument aus dem deutschsprachigen Raum entwickelte sich das Bandoneon über Migration und Handwerkstradition zum internationalen Kultinstrument mit unverwechselbarer Klangsprache.

Wer sind berühmte Musiker auf dem Bandoneon?

Hier ist eine gemeinsame Liste bekannter Bandoneonistinnen und Bandoneonisten:

  • Aníbal Troilo – Ikone der goldenen Tango-Ära; warmes, kantables Spiel, prägender Bandleader.
  • Astor Piazzolla – Erneuerer des „Tango Nuevo“; Bandoneonist & Komponist mit Weltwirkung.
  • Leopoldo Federico – Virtuose mit elegantem Ton; Referenz für klassischen/zeitgenössischen Stil.
  • Pedro Maffia – Früher Innovator; lyrische Technik, solistische Profilbildung des Instruments.
  • Pedro Laurenz – Markante Rhythmik und dramatische Phrasierung; stilprägendes Orchester.
  • Dino Saluzzi – Poet zwischen Tango, Folklore und Jazz; kammermusikalische Projekte.
  • Juan José Mosalini – Solist und Pädagoge; verankerte das Bandoneon in Europa.
  • Rodolfo Mederos – Solist/Komponist; urbane Schärfe, kontemplative Tiefe.
  • Julio Pane – Meister der feinen Phrasierung; Solist, Arrangeur, Lehrer.
  • Néstor Marconi – Brillanter Solist und Komponist; Brücke Tradition–Moderne.
  • Rubén Juárez – Sänger-Bandoneonist; charismatische Bühnenpräsenz.
  • Daniel Binelli – Piazzolla-Schule; Solist, Arrangeur, Orchesterprojekte.
  • Walter Ríos – Klangästhet und Orchestrator; Studio- und Bühnenarbeit.
  • Ciriaco Ortiz – Vorkriegs-Referenz; subtile Harmonik, Einfluss auf Troilo-Generation.
  • Eduardo Arolas – Frühzeit-Pionier/Komponist; prägte Form und Vokabular.
  • José Libertella – Mitgründer des Sexteto Mayor; internationaler Botschafter.
  • Horacio Romo – Heutige Spitzenklasse (u. a. Sexteto Mayor); kraftvolles Spiel.
  • Ernesto Baffa – Eleganz und Tradition in großen Orchestern.
  • Pablo Mainetti – Zeitgenössisch/Kammer; komplexe, moderne Sprache.
  • Louise Jallu – Frankreich; bindet Tango, Klassik und Jazz „heutig“ zusammen.
  • Shinjoo Cho – Korea/USA; Tango, Kammer- & Improvisationsmusik, pädagogisch aktiv.
  • Milagros Caliva – Argentinien; Tango & Folklore, Solo- und Ensembleprojekte.
  • Eva Wolff – Belgien/Argentinien; Solistin und Dozentin in Europa/Buenos Aires.
  • Mercedes Krapovickas – Argentinien; zeitgenössische/elektronische Projekte.
  • Heyni Solera – USA; Ensemblearbeit und Projekte mit Fokus auf Musikerinnen.
  • Francisca „Paquita“ Bernardo – Pionierin des Bandoneons im frühen Buenos-Aires-Tango.

Hinweis: Die Liste ist kuratiert, nicht vollständig – sie vereint historische Referenzen mit prägenden heutigen Stimmen.

Wie ist der Ausbildungsverlauf für Bandoneon?

Das Bandoneon ist ein anspruchsvolles Handzuginstrument, dessen Ausbildung Geduld, musikalisches Verständnis und eine gute Koordination erfordert. Da es weniger verbreitet ist als Akkordeon oder Klavier, unterscheidet sich der Ausbildungsweg häufig von klassischen Musikschulstrukturen.

In der Regel beginnt der Unterricht an Musikschulen oder bei spezialisierten Privatlehrern, die sich auf Bandoneon oder verwandte Instrumente wie Akkordeon spezialisiert haben. Der Einstieg ist ab etwa 8 bis 10 Jahren möglich, wenn die Handgröße und Koordination ausreichen.

Zu Beginn lernen Schüler die Grundlagen der Balgführung, Handhaltung, Knopfanordnung und die Unterscheidung der Balgrichtungen – beim Bandoneon erklingen beim Drücken und Ziehen unterschiedliche Töne (bisonorisches System). Diese Orientierung ist eine der größten Herausforderungen für Anfänger.

Nach und nach folgen:

  • Tonleitern, Akkorde und Arpeggien
  • Wechsel zwischen Zug- und Drucktönen
  • Dynamik und Klanggestaltung über den Balg
  • Lesen von Bandoneon-Notationen (oft individuell angepasste Griffsysteme)
  • Interpretation von Stücken aus Tango, Folklore, Jazz oder klassischer Musik

Fortgeschrittene Spieler arbeiten gezielt an:

  • technischer Beweglichkeit
  • Balgkontrolle und Phrasierung, um den charakteristischen Ausdruck des Instruments zu meistern.

Ein akademisches Studium im Fach Bandoneon ist an wenigen Hochschulen möglich, vor allem in Deutschland (z. B. Musikhochschule Köln/Wuppertal, HfMDK Frankfurt, HMT München) sowie in Argentinien, wo das Instrument eng mit der Tango-Tradition verbunden ist. Dort umfasst das Studium Fächer wie Instrumentalpraxis, Ensemblearbeit, Musiktheorie, Improvisation, Geschichte und Pädagogik.

Der Ausbildungsweg endet typischerweise mit einem künstlerischen Abschluss (Bachelor/Master) oder – bei nichtakademischer Laufbahn – mit einem hohen künstlerisch-handwerklichen Niveau, das den Einsatz im Ensemble, in Tango-Formationen oder als Solist ermöglicht.

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